“Fintechs werden aufsichtsrechtlich behandelt wie vollregulierte Institute”

Ein digitales Haftungsdach stellt Fintechs Bafin-Zulassungen beispielsweise für den Verkauf und Handel von Kryptowerten und Wertpapieren zur Verfügung. Momentan gehen viele junge Finanzunternehmen mit deutlicher Verzögerung an den Start. Welche Gründe es dafür gibt, erklären CEO Johannes Zeiß und COO Moritz Singer im Interview. 

Aktuell haben viele Fintechs in Deutschland Schwierigkeiten damit, ihre Unternehmen in der geplanten Zeit auch wirklich an den Markt zu bringen. Moritz und Johannes, woran liegt das aus Eurer Sicht?

Moritz: Dafür gibt es aus meiner Sicht verschiedene Gründe. Zunächst ist das Marktumfeld in den vergangenen Monaten für die Fintechs deutlich komplizierter geworden, gerade was die Kapitalbeschaffung betrifft. Dadurch können sie die vielen verschiedenen Themen innerhalb des Unternehmens weniger schnell vorantreiben – und das betrifft auch die Zulassung. Was dazu kommt: Viele Fintech-Gründerinnen und -Gründer sind vor allem in der Tech-Welt zuhause und legen darauf auch ihren Fokus. Das bedeutet, dass sie vorrangig auf ihr Angebot oder das Produkt schauen und das Thema Regulatorik oft erst zuletzt angehen. Oft sind die Prozesse schon ausgearbeitet, weshalb regulatorisch bedingte Anpassungen zu Verzögerungen und erheblichem Entwicklungsaufwand führen.

Das heißt die Regulatorik wird auf Seiten der Fintechs zu oft unterschätzt?

Johannes: Ja, so kann man das sagen. Fintechs werden aufsichtsrechtlich behandelt wie vollregulierte Institute, was zwar aus Sicht der Kundinnen und Kunden absolut begrüßenswert ist, aber hohe Anforderungen an die jungen Unternehmen stellt. In anderen Teilbereichen gibt es dann von der Bafin aber wieder so gut wie keine definierten Standards. Die Fintechs sind hier sehr von der individuellen Bewertung der Prüferinnen und Prüfer abhängig. Das macht es uns als Haftungsdach und den Fintechs mitunter schwer, den Zulassungsprozess effizient durchzubringen. Die offenen Punkte immer wieder nachzuarbeiten, kostet einfach Zeit.

Wie könnte sich das ändern?

Johannes: Wir benötigen mehr offenen und transparenten Austausch zwischen der Aufsicht und den verschiedenen Marktteilnehmern wie Fintechs und Haftungsdächern. Und wir brauchen für die verschiedenen Prozesse schnellstmöglich Standards. Das würde der gesamten Branche helfen, schneller voranzukommen und sich weiterzuentwickeln. Wir haben doch alle das gleiche Ziel: Wir wollen und brauchen einen regulatorisch sicheren Markt, der den Teilnehmern Orientierung mit Hilfe fester Standards gibt, sie aber nicht unnötig behindert. Dafür müssen aber alle an einem Strang ziehen.

Ist es nicht eher ungewöhnlich, dass eine Branche selbst nach mehr Regulierung und Standards verlangt?

Moritz: Das mag schon sein. Es ist aber einfach ein Fakt, dass es allen Marktteilnehmern weiterhelfen würde, wenn es weniger Interpretationsspielraum gäbe und die Themen und Prozesse klarer formuliert und geregelt wären. Gerade im Kryptobereich stehen wir ja regulatorisch noch relativ am Anfang. Mehr Regulatorik und klare Regeln sind die Voraussetzungen dafür, dass sich die großen Player dem Markt öffnen. Und erst dann kann Krypto-Trading wirklich in der etablierten Finanzwelt ankommen. Eine solche Regulatorik ist natürlich keine einfache Sache, weil auch beispielsweise EU- und deutsches Recht vereinbart werden müssen. Aber nur mit einer zunehmenden Professionalisierung kommt letztendlich der gesamte Markt voran.

Johannes und Moritz – vielen Dank für das Gespräch!

 

(Das Gespräch führte Jens Secker)