Kryptowährungen: Sprung aus der Nische

Die Anzeichen verdichten sich, dass Kryptos schon bald den Massenmarkt erreichen könnten. Viele Banken, die sich in den vergangenen Jahren noch gegen das Thema Krypto gesträubt haben, wollen jetzt einsteigen. Und auch die großen Exchanges drücken gehörig aufs Gaspedal.

Christine Lagarde ist sich sicher: “Kryptos sind keine Währungen, Punkt. Kryptos sind hochspekulative Vermögenswerte, die ihren Ruhm als Währung beanspruchen, aber das sind sie nicht. Sie sind es nicht.” Mit ihrer Meinung ist die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht allein. Gerade in der traditionellen Bankenwelt gibt es eine Vielzahl an Männern und Frauen, die Madame Lagarde sicherlich zustimmen. Ungewöhnlich ist das nicht: Technologische Neuerungen sorgen sehr häufig zunächst für Skepsis.

Der Crypto-Influencer Lark Davies hat dazu eine interessante Grafik erstellt. Er vergleicht darin die Adoption des Internets in den 1990er Jahren mit den Krypto-Nutzern ab 2014. Was auffällt: Die beiden Graphen sind nahezu identisch. Auch in den Neunzigern haben viele Menschen daran gezweifelt, dass sich das Internet tatsächlich auf Dauer durchsetzen würde. Mittlerweile ist das Worldwideweb nicht mehr aus unserem täglichen Leben wegzudenken. Möglicherweise wird man das in wenigen Jahren auch über den Kryptobereich sagen.

Gekommen, um zu bleiben

Schon heute beträgt das durchschnittliche Handelsvolumen einer großen Exchange rund 15 Milliarden US-Dollar pro Tag. Und das Ende der Entwicklung ist noch längst erreicht: Denn viele Banken, die sich in den vergangenen Jahren gegen das Thema Krypto gesträubt haben, wollen jetzt nach und nach selbst in den Markt einsteigen, was die Transaktionszahlen noch mal weiter steigern wird. Ein weiterer Indikator ist die Marktkapitalisierung der wichtigsten Kryptobörsen: Die Exchange FTX ist beispielsweise mit 40 Milliarden Dollar heute schon deutlich mehr wert als die Deutsche Bank. Die Player, die den Kryptomarkt vorantreiben, meinen es ernst – und sie haben das nötige Kapital.

Damit Kryptowährungen tatsächlich den Massenmarkt erreichen, muss der Handel noch deutlich vereinfacht werden. Und auch in diesem Bereich hätten wir wieder die Parallele zum Internet: Das Worldwideweb wurde zunächst nur professionell genutzt und hat sich erst dann richtig durchgesetzt, als es für jeden einfach zugänglich wurde. Das ist im Kryptobereich sehr ähnlich: Auch hier waren es zunächst die First Mover und dann kamen die ersten Fonds dazu, die das Thema aufgegriffen haben. Der Massenmarkt kommt dann, wenn das Krypto-Trading wirklich so einfach wird, wie beispielsweise die Nutzung eines Smartphones.

Derivatehandel nimmt zu

Aktuell sind rund 18.000 Kryptowährungen am Markt. Bei einem Großteil davon handelt es sich noch im Projekte, die nur auf wenigen technischen Standards wie beispielsweise Ethereum oder Solana basieren. Was im Kryptobereich vermehrt dazu kommt, ist der Derivatehandel, den beispielsweise FTX anbietet. In diesem Fall besitzen und handeln die Traderinnen und Trader keine echten Coins, sondern sie sind ausschließlich an der Wertentwicklung der entsprechenden Kryptowährungen beteiligt. Der zunehmende Derivatehandel sorgt für mehr Flexibilität am Markt, der dadurch auch für professionelle Traderinnen und Trader zunehmend interessant wird.

Ein Kritikpunkt an der Kryptobranche ist häufig der vermeintlich hohe Energieverbrauch. Fakt ist, dass beim Schürfen der Kryptowährungen viel Strom benötigt wird. Fakt ist aber auch, dass der Energieverbrauch der Kryptobranche gegenüber einem klassischen Kernbanksystem nur verschwindend gering ist. Außerdem ist der Handel der Kryptowährungen an sich kein großer rechnerischer Aufwand im Blockchain-Netzwerk. Dazu kommt, dass ein Großteil der Energie ohnehin aus Erneuerbaren Energien kommt. Beim Bitcoin stammt beispielsweise 80 Prozent des Stroms, der zum Mining verwendet wird, aus Wind, Solar und Wasserkraft.

Kryptomarkt braucht verlässliche Rahmenbedingungen

Für den Sprung aus der Nische benötigt der Markt in den kommenden Jahren eine gute Mischung aus Regulatorik, Zugänglichkeit und Professionalität. Für die Kundin und den Kunden muss die Teilnahme am Markt einfach möglich sein. Dazu gehören aber auch spannende Produkte, die für professionelle Traderinnen und Trader interessant sind. Und für die Anbieter muss es verlässliche Rahmenbedingungen geben. Nur so wird es auch für die großen Marktteilnehmer wie Banken und Fonds interessant, im Kryptobereich mitzumischen. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, wird der Markt wohl nicht mehr zu bremsen sein.